Reise ins Kibale-Projekt: Zwischen Feldern und Elefantengräben
Ich hatte es angekündigt: Wir haben in Uganda gesehen, welche Rolle Bienen dabei spielen, den Konflikt zwischen Elefanten und Menschen zu entschärfen. Doch führt uns der Weg zunächst über Gräben und Brücken…
Wie Menschen und Wildtiere nebeneinander leben können
Am dritten Tag unserer Reise war der Weg kurz – aber der Blick weit. Nur etwa 20 Gehminuten vom Projektzentrum entfernt beginnt das Farmland der umliegenden Gemeinden. Am Rand des Nationalparks, der Schnittstelle zwischen renaturiertem Wald und kleinen Ackerflächen, wird spürbar, was es bedeutet, wenn die Natur zurückkehrt – und wie komplex es ist, sie mit dem Alltag der Menschen in Einklang zu bringen.
Gemeinsam mit Rose, die bei unserem Partner für die Arbeit mit den Gemeinden zuständig ist, und Justus aus ihrem Team, besuchen wir mehrere Farmer:innen und Mitglieder der lokalen Imkergruppe. Theresa ist ebenfalls wieder dabei – ihre Interviews mit den Mitgliedern der Imkergruppe werden sicher bald auf unserem YouTube-Kanal zu sehen sein. Für uns war es einer der eindrücklichsten Tage.
Wenn Natur zurückkehrt – und mit ihr die Tiere
Der Erfolg des Aufforstungsprojekts bedeutet nicht nur, dass der Wald wächst. Es bedeutet auch: Tiere kehren zurück. Und das sorgt für Spannungen. Paviane, Elefanten, Schimpansen – sie kennen keine Grundstücksgrenzen und folgen dem, was riecht und schmeckt. Das beobachten wir nicht nur auf den Projektflächen, sondern im gesamten Nationalpark.
Vor allem Mais hat es ihnen angetan, wie einer der Bauern uns erzählt. Deshalb gibt es mittlerweile für die Kleinbäuer:innen ein Beratungsangebot, welche Feldfrüchte weiter unten auf der Speiseliste von Schimpansen und Elefanten stehen – und sich daher besser für die Felder eignen, die direkt an den Nationalpark angrenzen. Denn gerade von den Elefanten geht eine große Gefahr aus, wenn die Menschen versuchen, sie vor dem Eintreffen der Projektmitarbeiter, mit einfachen Mitteln zu vertreiben.
Paviane vertreiben, Gräben ausheben, Brücken bauen
Doch es braucht mehr als Beratung. In der Zeit der Aussaat patrouillieren die Kleinbäuer:innen in den Feldern, um Paviane fernzuhalten. Zur Erntezeit wird am Rand der Felder Pfeffer angezündet, um mithilfe des entstehenden Qualms hungrige Schimpansen und Paviane fernzuhalten. Zudem wurden auf einer Länge von 41,5 km Elefantengräben ausgehoben – breite, tiefe Einschnitte, die die Tiere am Durchkommen hindern sollen.
Doch Elefanten sind bekanntlich schlau: Sie nutzen Sträucher am Rand, um sie in den Graben zu treten. Nach und nach füllt sich dieser dann mit Erde und Laub, bis er kaum noch eine Barriere darstellt. Deshalb müssen die Ränder regelmäßig beschnitten und die Gräben neu ausgehoben werden.
Und dann gibt es noch Stellen, an denen der Boden so feucht ist, dass man kaum graben kann – dort hat man Holzstege gebaut. Die sogenannten Elefant Boardwalks sind eine lokale Innovation: Die Mitarbeitenden und Anwohnenden haben beobachtet, dass die Elefanten nicht über Brücken gehen, da sie ihr eigenes Gewicht fürchten. Die Holzstege ähneln visuell einer Brücke und halten die Elefanten daher ab. So erfolgreich, dass an der Stelle, die wir besucht haben, die Gemeinde selbst noch einmal den Elefant Board Walk um einige Meter verlängert hat.
Bienen als Wächter und Honiglieferanten
Besonders interessant, aber auch gewinnbringend ist eine andere Maßnahme: Bienen. An einigen Stellen wurden Bienenkästen aufgestellt – verbunden mit Seilen. Sobald diese durch die Elefanten bewegt werden, versetzt das die Bienen in Alarm. Als Dickhäuter können ihnen Bienenstiche erstmal nichts anhaben – außer im Inneren des Rüssels.
Und genau dort greifen die Bienen an. Denn auch sie wissen, wie sie effektiv mit Eindringlingen umgehen. Eine unangenehme Erfahrung für die Dickhäuter – und eine äußerst wirksame Abschreckung. Für die Bäuer:innen bedeutet das nicht nur Schutz, sondern auch eine zusätzliche Einnahmequelle durch den Honig.
Was nicht funktioniert: Elektrozäune im Wald
Elektrozäune, so naheliegend sie klingen, scheitern an der Realität: Ein umstürzender Baum – bspw. durch einen Elefanten selbst – kann das gesamte System lahmlegen. Im dichten Wald sind solche Schäden keine Frage des Ob, sondern des Wann.
Auch ist die Infrastruktur nicht vorhanden, denn viele der Haushalte um den Park sind nicht an das Stromnetz angeschlossen. Zuerst müssten diese angeschlossen werden, um dann die Leitungen hin zur Parkgrenze zu verlängern.
Was wir mitnehmen: Dialog, Anpassung, lokale Lösungen
All diese Eindrücke haben mir einmal mehr gezeigt: Die Renaturierung von Wäldern braucht mehr als gute Absichten. Sie braucht lokale Expertise, ständigen Austausch – und kreative Lösungen, die immer wieder angepasst werden müssen. Ich bin dankbar, dass wir diese Geschichten vor Ort erleben durften. Sie machen deutlich, wie vielschichtig ein Projekt ist, das langfristig wirken soll und großen Wert auf die Lebensrealität der Menschen legt.
Wer die Lungen der Erde wieder in ihren natürlichen Zustand versetzen möchte, braucht eben… einen langen Atem 😉
Aufgepasst: Der nächste Teil des Reiseberichts widmet sich den bekanntesten Bewohnern der Region: Den Schimpansen von Ngogo.