Ein Tag bei den Schimpansen von Ngogo

| Autor: Lars Forjahn Lars Forjahn

Kurz vor der Abreise Richtung Kampala, wo wir Gespräche mit der Leitung der Uganda Wildlife Authority (UWA) und dem Climate Change Department der ugandischen Regierung geplant hatten, durften wir Tourist:innen sein.

Keine Projektbesichtigungen, keine Gespräche mit Farmer:innen, keine Planungen der Projektzukunft. Stattdessen: Wald, Geduld und die Hoffnung auf ein Aufeinandertreffen mit den berühmtesten Bewohnern des Kibale-Nationalparks – den Schimpansen. Genauer gesagt: den Schimpansen von Ngogo, der größten bekannten Schimpansenpopulation der Welt.
 

Dschungelpolitik 

Geduldig machten wir uns mit einer kleinen Gruppe auf den Weg in den Wald. Doch zunächst von Schimpansen keine Spur. Die Szenerie war bestimmt von hellroten Gesichtern, versteckt hinter Mückennetzen, getoppt von Safarihüten. Doch nach etwa drei bis vier Stunden entdeckten wir die kräftigen Primaten, wie sie in ihren Bäumen saßen, lagen und hingen.

Sehr hilfreich: Die Übersetzung ihres Verhaltens durch die erfahrenen Ranger der UWA. Durch ihre Brille konnten wir einen Teil des komplexen Sozialverhaltens dieser beeindruckenden Tiere entschlüsseln. Die Fellpflege als Versicherung gegenseitiger Loyalität. Grenzpatrouillen. Machtdemonstrationen gegenüber aufmüpfigen rangniedrigeren Konkurrenten. Austausch der weiblichen Tiere für die Sicherstellung eines gesunden Genoms. Die Gruppenstruktur ist vielschichtig, die Rollen verteilt, Hierarchien spürbar – und zugleich wandelbar. Wer die Gruppe anführt, hängt nicht allein von Muskelkraft ab. Ein Alphamännchen mag durch Dominanz und Lautstärke regieren, ein anderes durch Diplomatie, geschickte Bündnisse und geteilte Macht. 

 

Vom Menschenbild zum Weltbild

All das ist nicht nur faszinierend – es fordert auch unser Weltbild heraus. Viele der Eigenschaften, die wir für uns Menschen reklamieren, sind hier im tiefen Wald zu beobachten: strategisches Denken, politische Raffinesse, soziale Bindungen, Empathie. Sie sind so unterschiedlich, dass es selbst für Laien nicht lange braucht, viele der Tiere an ihren Gesichtern und Verhaltensweisen wiederzuerkennen.

Der Tag mit den Schimpansen von Ngogo war eine Bereicherung. Wer diesen Tieren in freier Wildbahn begegnet, erkennt unweigerlich: Die vermeintliche Grenze zwischen „uns“ und „der Natur“ ist noch weniger eine Brandmauer als so manch andere. Vielleicht ist genau diese Erkenntnis ein Schlüssel für besseren Naturschutz. Nicht Mitleid, sondern Augenhöhe. Nicht Abgrenzung, sondern Verbundenheit.

Aufgepasst: Der nächste Teil des Reiseberichts widmet sich einer neuen Aufforstungsfläche im Kibale-Nationalpark - 
und damit der Zukunft des Projekts.