Appell für naturbasierte Lösungen – Gemeinsame Stellungnahme mit Taking Root

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Vom 13. bis 17. November waren Theresa, Diana und Justus von PRIMAKLIMA zu Besuch beim CommuniTree-Projekt in Nicaragua. Neben Treffen mit verschiedenen Farmer:innen auf ihren aufgeforsteten Flächen, bot die Reise auch die Möglichkeit zum ausgiebigen Austausch mit den Partnerorganisationen APRODEIN und Taking Root, sowie anderen wichtigen beteiligten Organisationen.

 

Während ein ausführlicher Reisebericht und detaillierte Eindrücke zu einem späteren Zeitpunkt hier und an anderen Stellen geteilt werden, liegt es uns sehr am Herzen, heute ein gemeinsames Statement zu veröffentlichen. Es ist im Anschluss an den Besuch und in Kooperation mit Taking Root und in Absprache mit anderen Organisationen entstanden. Hier geht es zur englischen Version unseres Projektpartners, die wir für unsere Zwecke übersetzt und ergänzt haben. Hinterlegte Quellen sind auch in unserem Beitrag englischsprachig.

 

Was sind naturbasierte Lösungen?

 

Die Europäische Kommission definiert naturbasierte Lösungen (engl. nature-based solutions, kurz NbS) als „Lösungen, die von der Natur inspiriert und unterstützt werden, die kosteneffizient sind, gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bieten und zum Aufbau von Resilienz beitragen.“ Aufgrund dieser Eigenschaften und weiterer Vorteile spielen solche Lösungsansätze eine wichtige Rolle in Strategien zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise. PRIMAKLIMA sammelt Spenden für NbS, die den Schutz oder die Schaffung von Wäldern fördern.

 

Warum wir jetzt in naturbasierte Lösungen investieren müssen

 

In den letzten Monaten beobachten wir eine wachsende Welle von sehr kritischen und einseitigen Berichterstattungen und damit einhergehend eine negative Stimmung gegenüber naturbasierten Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise . Wenn diese Welle unvermindert anhält, besteht ein sehr reales Risiko, dass naturbasierte Lösungen dringend benötigte Investitionen verlieren. Das wäre eine Katastrophe für das Klima, für den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen und für die Menschen, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

 

Das ist nicht nur unsere Meinung, die Fakten sind eindeutig: Untersuchungen zeigen, dass naturbasierte Lösungen bis zu 37 % der Emissionsreduktionen liefern können  die bis 2030 erforderlich sind, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Um sie zu erreichen, müssen sich die Investitionen in NbS  bis 2025 verdoppeln und bis 2030 verdreifachen. So wie es aussieht, brauchen wir mehr Investitionen in NbS, nicht weniger. Gezielte Maßnahmen wie die Aufforstung von brachliegenden landwirtschaftlichen Flächen sind nicht nur „nice to have“ im Kampf gegen die Klimakrise; im Gegenteil: Sie sind unentbehrlich.

 

Eine aufgeforstete Fläche im CommuniTree-Projekt

Warum werden naturbasierte Lösungen angegriffen? 


Die Antwort auf diese Frage liegt wohl in der menschlichen Tendenz, Sachverhalte ausschließlich in schwarz oder weiß, gut oder schlecht, hilfreich oder überflüssig zu bewerten – und sich dann auf das “Schlechte”, statt auf das “Gute” zu konzentrieren. Zunächst einmal wollen wir aber versuchen, die Entwicklungen chronologisch zusammenzufassen:


Eine der effektivsten Möglichkeiten, wie NbS bisher finanziert wurden, sind die Kohlenstoffmärkte. In den letzten Jahren hat der freiwillige Kohlenstoffmarkt (engl. Voluntary Carbon Market, kurz VCM) einen enormen Zustrom von Investitionen erlebt, der von einem Wert von
520 Millionen US-Dollar im Jahr 2020 auf 2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 gestiegen ist.

 

Dieses rasante Wachstum hat zu einer stärkeren externen Kontrolle und Forderungen nach mehr Transparenz geführt. Das ist auch gut so – denn Kontrolle und Transparenz sind absolut notwendig, um die Messlatte für die Qualität von Projekten höher zu legen und schlussendlich eine bestmögliche Wirkung zu erzielen.

 

Bei der Fokussierung auf die VCM hat sich jedoch gezeigt, dass sich weltweite NbS-Projekte in Art, Umfang und Qualität unterscheiden. So gibt es Initiativen und Projekte, die messbare Auswirkungen zum Wohle des Klimas, der Natur und der lokalen Gemeinschaften haben. Dennoch werden sie von denen überschattet, die nicht den notwendigen Standards entsprechen – was manche dazu veranlasst, das Konzept der naturbasierten Lösungen völlig in Frage zu stellen oder gar gänzlich verwerfen zu wollen.

 

Wir möchten betonen: Das ist der völlig falsche Ansatz. Stattdessen sollte die Gesellschaft die qualitativ hochwertigen Projekte anerkennen, von ihnen lernen und schlussendlich Mittel investieren, damit wir sie sowohl ausbauen als auch replizieren können. Letztlich sollte die Frage nicht sein, ob man naturbasierte Lösungen fördern soll – die Antwort sollte ein eindeutiges „Ja“ sein. Vielmehr sollte die Frage lauten: Welches sind die richtigen Projekte, die man unterstützen sollte?

 

Mischung aus heimischen Baumarten in Nicaragua

Wie sehen hochwertige naturbasierte Lösungen aus?

Das führt uns dazu, die Kennzeichen eines qualitativ hochwertigen NbS-Projekts zu betrachten. Bei der Auswahl von Projekten schaut das PRIMAKLIMA-Team sehr genau hin: Werden heimische Baumarten benutzt? Wem gehört das Land, auf dem das Projekt stattfinden soll? Wie werden die Menschen in der Projektregion einbezogen und finanziell beteiligt?  Zum Auswahlprozess gehört immer ein früher Austausch mit den Projektpartnern vor Ort, bevor man das Projekt durch einen Besuch selbst unter die Lupe nehmen kann.


Aus unserer Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Waldprojekten wie
CommuniTree wissen wir, dass es in erster Linie darum gehen muss, die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort zu verbessern. Ein Projekt benötigt daher nicht nur Anreize für die Farmer:innen, die Bäume zu pflanzen, sondern diese auch langfristig im Boden zu belassen.

 

Das fördert die Dauerhaftigkeit und damit den Erfolg eines Waldprojekts. Beim Aufbau von Existenzgrundlagen sind faire Premien nur eine der vielen Komponenten, die geliefert werden müssen. Zusätzlich braucht es Mechanismen, die langfristig einen Mehrwert für die Projektteilnehmer:innen schaffen, sei es durch den Zugang zu lokalen Wertschöpfungsketten oder globalen Rohstoffmärkten.

 

Farmerin im CommuniTree-Projekt während der Pflanzsaison

Darüber hinaus müssen Initiativen zur Wiederbewaldung stets in den Diensten der Natur stehen: Das bedeutet an erster Stelle, Flächen sorgfältig auszuwählen, die überhaupt für großflächige Pflanzungen geeignet sind. Danach gilt es, ausschließlich heimische Baumarten zu pflanzen und die natürliche Verjüngung dauerhaft zu fördern. 

 

Die Eingriffe sollten auf soliden, wissenschaftlich fundierten Kohlenstoffprognosen beruhen und die Fortschritte regelmäßig überwacht und gemeldet werden, damit die Ergebnisse transparent nachverfolgt werden können. Die Validierung und Verifizierung durch Dritte liefern eine weitere Bestätigung für die Legitimität eines Projekts.

 

Und dann ist da noch die Sache mit der Variabilität: Projekte die durch die Schaffung neuer Wälder Kohlenstoff einbinden wollen, arbeiten immer sowohl mit den Menschen als auch mit Natur zusammen. Das heißt: Bäume werden natürlicherweise sterben. Manche Flächen werden nicht wie beabsichtigt wachsen. Landbesitzer:innen werden ihre Flächen wieder verkaufen und somit das Projekt verlassen.

 

Solche Situationen sind völlig normal und stellen keine „Ausfälle“ oder per se einen Qualitätsverlust dar. Wichtig ist, dass das Projektdesign diese Szenarien einplant – um sicherzustellen, dass die behaupteten Wirkungen auch tatsächlich realisiert werden können.

 

NbS-Projekte, die all diese Qualitätsmerkmale erfüllen, erreichen am Ende sogar viel mehr als nur die reine CO2-Einbindung. Ja, die Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre ist ein wichtiges Ergebnis. 

 

Aber durch Investitionen in naturbasierte Lösungen wie die Wiederherstellung von Wäldern tragen Geldgeber auch zu einer Reihe von sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen in Gemeinden und Landschaften bei, die oft am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Dazu gehören die Sanierung von Ökosystemen, die Verbesserung der Wassersicherheit, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung der biologischen Vielfalt.

 

Eine weit entwickelte Fläche, auf der bereits die Küche den Schatten genießen können

Wie werden NbS finanziert?  

Nehmen wir zum Beispiel ein Projekt zur Wiederherstellung von Wäldern. Je nach Kontext kann es 20+ Jahre dauern, bis die Ziele für die Kohlenstoffbindung vollständig erreicht sind. In der Zwischenzeit müssen die Projektentwickler die Kosten für die Einrichtung eines Projekts, die Verwaltung des Betriebs und die Bereitstellung eines Mehrwerts für diejenigen, die Klimalösungen auf lokaler Ebene umsetzen, tragen. Projekte benötigen die Unterstützung von Unternehmen und Privatpersonen, um diese Anfangskosten zu decken und sich über einen langen Zeitraum vollständig für die lokalen Gemeinschaften einzusetzen.

 

PRIMAKLIMA bietet privaten Spender:innen und Unternehmen in Deutschland eben die Möglichkeit, das CommuniTree-Projekt in Nicaragua zu unterstützen. Hierfür kann eine gewünschte Anzahl an Setzlingen ausgewählt werden, die dann im Projekt gepflanzt werden.

 

Wenn die Unterstützung von natürlichen Lösungen für den Kampf gegen die Klima-und Biodiversitätskrise verloren geht, wird es nicht genug Geld geben, um Bäume zu pflanzen und zu pflegen. Die Gemeinden könnten NbS als ein weiteres gescheitertes Versprechen für wirtschaftlichen Wohlstand betrachten. Wenn wir also jetzt nicht das Pflanzen von Baumsetzlingen unterstützen, verlieren wir eine vielversprechende Lösung zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise in Zukunft.

 

Frisch gepflanzter Setzling in Somoto, Nicaragua

Investitionen in qualitativ hochwertige Projekte tätigen, um eine sinnvolle Wirkung zu erzielen 

Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen, die sich freiwillig auf dem Kohlenstoffmarkt engagieren, mit fast doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit ihre Geschäftstätigkeit im Vergleich zum Vorjahr dekarbonisieren. Projekte wie CommuniTree finanziell zu unterstützen, ist meist nur ein Teil ihres Engagements. Heißt konkret: Diejenigen, die qualitativ hochwertigere Projekte unterstützen, haben insgesamt einen besseren ökologischen Fußabdruck Es besteht also ein klarer Zusammenhang zwischen Investition, Qualität und Wirkung. Diese Realität sollte nicht übersehen werden, wenn wir durch die Wachstumsschmerzen des entstehenden freiwilligen Kohlenstoffmarktes navigieren.

 

Das Zeitfenster wird immer enger, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abzumildern und die Natur wiederherzustellen. Naturbasierte Lösungen können Kohlenstoff binden, Ökosysteme wiederherstellen und die Lebensgrundlagen verbessern. Diese Lösungen stehen uns jetzt zur Verfügung, mit großem Skalierungspotenzial. Wenn wir eine naturfreundliche Zukunft sichern wollen, muss die Unterstützung für NbS mobilisiert werden, und zwar mit sofortiger Wirkung – zum Wohle von uns allen.  

 

 

 

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