Wie viel Wald darf der Mensch nutzen – und wofür?

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Wir brauchen gesunde Wälder, die CO2 aufnehmen können. Das ist die Richtschnur, für die PRIMAKLIMA einsteht. Dennoch werden in Zeiten der Klimakrise auch in der EU weiterhin wertvolle alte Wälder gerodet und das Holz unter anderem zu Pellets verarbeitet. Das Verbrennen von Biomasse wird bisher noch immer als klimaneutral gelabelt. Wir haben mit Hannes Böttcher vom Freiburger Öko-Institut darüber gesprochen. 

Holz gilt EU-weit als klimaneutraler Brennstoff – und dementsprechend ist es ein gutes Geschäft, Holz zur Energiegewinnung zu nutzen. Dafür werden auch gesunde Bäume abgeholzt. Kann man da von Klimaneutralität sprechen? 

Biomassenutzung für Energie ist mitnichten treibausgasneutral. In der Realität ist es aber so: Wenn Biomasse aus dem Wald entfernt wird, wird dies nach der Logik des Weltklimarats bereits als Emission im Landnutzungssektor verbucht. Im Energiesektor muss die Verbrennung von Biomasse deshalb nicht noch einmal erfasst werden. Das führt dazu, dass Biomasseverbrennung als CO2-frei angesehen wird. Wenn aber zum Beispiel Großkraftwerke viel Biomasse aus dem Wald verbrennen, führt dies zur Verringerung des Kohlenstoffspeichers im Wald und mehr CO2 in der Luft. 

Dennoch wird EU-weit Holz, das im Wald eingeschlagen wurde, genutzt, um Strom und Wärme zu erzeugen.  

Biomasse als nachwachsender, aber endlicher Rohstoff ist zu wertvoll, als sie direkt thermisch zu nutzen. Auch wenn suggeriert wird, dass es sich um Waldreststoffe handelt. Es gibt im Grunde kaum mehr Reststoffe, die nicht genutzt sind. Deshalb würde eine Erhöhung der Nutzung direkt dazu führen, dass mehr frische Biomasse und Stammholz verbrannt werden.  

Sie haben gemeinsam mit Kolleg:innen in einer Studie belegt, dass ein Anstieg der Holznutzung zu einem Anstieg der CO2-Konzentration führen würde.  

Ja, es zeigt sich, dass es wichtig ist, auf welchem Niveau der Wald beerntet wird. Wenn ich eine Periode lang weniger ernte, habe ich einen höheren Kohlenstoffvorrat. Dafür haben wir das Bild des CO2-Rucksacks entwickelt. Dieser Rucksack sagt, wenn ich viel Holz aus dem Wald entnehme, dann verpasse ich die Chance, mehr Kohlenstoff im Wald zu speichern. Man erkennt dadurch eher, dass man mit einem Kubikmeter Holz aus dem Wald sorgfältig umgehen und für eine langfristige Speicherung sorgen muss.  

Was heißt das konkret? 

Wenn Laubbäume in Deutschland eingeschlagen werden, dann ist deren Schicksal zu 70 Prozent, als Feuerholz im Ofen zu landen. Da wäre sicherlich eine wichtige Strategie, dafür zu sorgen, dass Laubholz vorrangig als Bauholz verwendet wird. Dahin muss es gehen. Und generell muss man mit schon angespeicherten Kohlenstoffvorräten besonders vorsichtig umgehen. Wenn sie denn genutzt werden, dürfen auf keinen Fall aus stabilen Wäldern sehr kurzlebige Produkte entstehen. Man muss immer schauen, was man mit dem Holz aus diesen Wäldern für den Klimaschutz machen kann. 

 Dennoch sind Sie nicht dafür, die Wälder komplett sich selbst zu überlassen?  

Nein, denn man muss sich ja auch fragen: Wenn wir hier weniger ernten, was kommt dann aus dem Ausland? Aber wir müssen Holz sinnvoller als heute einsetzen. Ich bin mir relativ sicher, dass es nicht gut für das Klima wäre, alle Wälder dieser Welt sich selbst zu überlassen. Es geht darum, sie extensiv zu nutzen, langlebige Produkte zu erzeugen und viel Recycling zu betreiben. Das ist der optimale Weg.